Archiv

Theateraufführungen der Theaterwerkstatt Traunstein

von 1994 bis 2013

1993 Leonce und Lena (Georg Büchner) Festsaal Sparz

1994 Zwei Herren aus Verona (William Shakespeare) Festsaal Sparz

1997 Mirandolina / Alice im Wunderland (Carlo Goldoni / Lewis Carrol) Festsaal Sparz / Rathaussaal Traunstein

1998 Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse (Christine Nöstlinger) Bühne Studienseminar

2000 Unter dem Milchwald (Dylan Thomas) Hofbräuhaussaal

2001 Hippolytos (Euripides) Hofbräuhaussaal

2002 Weltuntergang (Textcollage aus Werken von Karl Valentin) Hofbräuhaussaal

2003 Bürger Schippel (Carl Sternheim) Hofbräuhaussaal

2004 Die Hölle (Dante Alighieri) Hofbräuhaussaal und ARGEkultur Salzburg

2006 Kabale und Liebe (Friedrich Schiller) Hofbräuhaussaal

2008 Mein Kampf (George Tabori) Hofbräuhaussaal

2009 Mahlzeit (Text bzw. Libretto: Hans – Peter Jahn, Komposition Hüseyn Evirgen und Periklis Douvitsas) Taschenopernfestival Salzburg, ARGEkultur

2011 Der Engel des Herrn (Text: DER GLÜCKLOSE ENGEL Heiner Müller,Komposition Silvia Rosani) Taschenopernfestival Salzburg, ARGEkultur

2014 Wege der Verirrten (Reinhold Lay) Projekt in der Tiefgarage            am Bahnhof im Rahmen der Oberbayerischen Kulturtage

2015 Dantons Tod (Georg Büchner) Höhle in der Festung

Alle Stücke wurden von Reinhold Lay inszeniert außer Konrad (Regie Anna Stephl) und Mein Kampf (Regie Andreas Schmidt).

Mirandolina

MirandolinaMit Mirandolina gelang Goldoni, was Moliere für Frankreich geleistet hatte: ein eigenständiges italienisches Lustspiel zu schaffen. Er hatte den Übergang von Commedia del àrte zum Charakterdrama vollzogen, die plumpe Hanswurstiade durch die feingesponnene Intrige ersetzt. Im Gasthaus der schönen Mirandolina sind zwei Herren abgestiegen, um der Wirtin den Hof zu machen: der verarmte dünkelhafte Marchese di Forlipopuli und der neureiche prahlerische Conte von Albafiorita mit den gekauften Adelstitel. Die Beiden bestreiten sich gegenseitig ihre Vorrechte auf Mirandolina; der Eine begründet sie mit der „Projektion“ seines Adels, der Andere mit seinem Geldbeutel. Die muntere, redegewandte Mirandolina läßt sich gerne umwerben, nimmt aber keinen von ihnen ernst, da sie vom Vater an den Bedienten Fabrizio versprochen wurde. Als sich der Cavaliere von Rapafratta einfindet und sich als Frauenverächter aufspielt, wird der weibliche Ehrgeiz Mirandolinas geweckt. Sie nimmt sich vor, des Cavalieres Überheblichkeit und Frauenhass Lügen zu strafen. Bei Goldoni gelingt ihr dies, indem sie geschickt das Garn spinnt, indem sich der Cavalieres auch prompt verfängt. Aber das ist überholt und zu einfach gestrickt. Die Theaterwerkstatt versucht mit Goldonis Mirandolina die Strukturen des werktreuen Theaterspiels aufzubrechen; bemüht sich an Hand von freier und „moderner“ Theaterarbeit aufgezwungene Konventionen zu überschreiten.

Unter dem Milchwald

Unter dem MilchwaldDyllan Thomas (1914 – 1953)

Das Stück beschränkt sich auf einen einzigen, sonnenüberstrahlten Frühlingstag in der fiktiven Stadt Llareggub. Das Alltagsleben der Einwohner wird in loser Episodenreihung dargestellt; somit fehlt ein dramatischer Plot oder eine dramatische Erzählung gänzlich. Die Theaterwerkstatt versucht ein zyklisch konzipiertes Stück, das mit der Schilderung des geschäftigen Morgens, anhand von karikaturnah gezeichneten Stadtbewohnern einsetzt. Bald löst träge Nachmittagsstimmung das bunte Treiben ab, bis sich schließlich die Dämmerung über den Ort senkt und die Nacht erfüllt von Liebe und Musik, den Tageslauf schließt. Die Liebe in ihren verschiedenen Erscheinungsformen (als sinnliche, platonische, Haß- oder Nächstenliebe) verleiht den eigentlich heterogenen Stück thematische Einheit. Die Liebesthematik läßt sich bis zur Beschreibung der Natur verfolgen; Llareggub wird zum „Ort der Liebe“. Der Milchwald ist für die Verliebten willkommene Liebeslaube für die Puritaner ein Ort der Sünde, für den „Normalbürger“ allen voran Ehrwürden Eli Jenkins, Zeugnis für die Unschuld des Menschen. Über seine reale Bedeutung hinaus soll der Wald in der Gesamtschau des Stücks als uralter Hain der Fruchtbarkeit erscheinen. Dyllan Thomas baut allein auf die Allgewalt der Sprache und ihre poetische Wirkung. Für die Theaterwerkstatt soll dieses Stück eine Art Formexperiment werden, das mit kühnen Formulierungen – sprachlich wie bildlich – zu Überzeugen sucht.

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Hippolytos

HippolytosDas wichtigste Ereignis der letzten Jahrzehnte im privaten Leben der Westeuropäer war vermutlich die Entfaltung einer Erotik, die mit dem jüdisch-christlichen Kultursystem nichts mehr gemein hatte. Eiun Vorrang der sich in jenem Dunstkreis des Zotigen und Jauchigen abspielte, den wohl am besten Egon Schieles Selbstbildnis masturbierend versinnbildlicht. Um dieses Phänomen begreiflich zu machen, bedarf es eines historischen Rückblicks, der kurz ausfallen wird. Man muss essen um zu leben; man darf nicht leben um zu fressen. Man muss sich paaren um Nachwuchs zu zeugen; man darf nicht leben um zu huren. Im ersten Brief an die Korinther entwickelt Paulus seine Auffassung von den ehelichen Pflichten: „die Frau hat kein freies Recht über ihren Leib, sondern der Mann ebenso hat der Mann über seinen Leib kein freies Recht, sondern die Frau.“ Zwar ist die Keuschheit den Ehestand vorzuziehen, doch ist nicht jeder dazu imstande: „Um aber Ausschweifungen zu verhüten, mag jeder seine Frau haben, und jede Frau ihren Mann haben“. Der Mann soll seine Frau mit Zurückhaltung „erkennen“: „Eine Ehebrecher ist, wer sein Weib zu glühend liebt. […] Der Mann bezwinge seine Wollust und lasse sich nicht überstürzt zum Beischlaf verleiten. Nichts ist schädlicher, als die eigene Gattin wie eine Konkubine zu lieben“, schreibt der heilige Hieronymus. Die Lust der Frau kam bei den Theologen nicht vor; sie war angeblich belanglos für die Ausstoßung des „weiblichen Samen“, der zusammen mit den männlichen Samen zur Zeugung führte.

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Der Weltuntergang

WeltuntergangDie Dialoge Valentins werden bewegt durch die Ausrichtung der Komik auf ganz elementare Verständigungsversuche des Menschen, die nämlich durch die Fragen, wie unser Sehen und Hören möglich sind, wie wir unsere Freiheit realisieren, indem wir „nein“ sagen können. Dieser Akt der Verweigerung hat selbstverständlich auch ausgesprochen politische Bedeutung: das Neinsagen ist in der politischen Lyrik als pazifistische Haltung z.B. bei W. Borchert und B. Brecht, in der kritischen Gesellschaftstheorie von Herbert Macuse thematisiert worden.  Außerdem wird im Rahmen jener prinzipiellen Verständigungsversuche die Beschäftigung Valentins mit der Sprache, die Funktion seiner Sprachkomik, erst plausibel, der unablässige Umgang mit der Sprache als die Mittel ursprünglicher Orientierung und Bezugnahme zur Welt einsichtig.

TWTS1Arthur Schmidtner, Franz-Jakob von Kotzebue

 

Bürger Schippel

Bürger SchippelDie Albert Bassermann gewidmete Komödie ist eine der ersten des großen, elf Stücke umfassenden satirischen Zyklos aus dem bürgerlichen Heldenleben. Tendenz und Sprache des Stückes wirken weitgehend expressionistisch, so die verkürzten, abgehackten Dialoge. Da meist die Artikel fehlen, frieren die Sätze zu Befehlen ein und erinnern manchmal an die Manier des preußischen Offizierskasinos. Formal hält sich Sternheim durchaus streng an alte dramaturgische Spielregeln. Das Stück, das seine Fortsetzung in Tabula rasa (1914; mit Schippel als gutverdienendem Unternehmer) fand, hatte nach der brillianten Inszenierung Max Reinhardts überall großen Erfolg, zumal Szenen wie diejenige, in der der Zuschauer das eifrige Quartett simultan zu der Liebesszene zwischen Thekla und dem Fürsten erlebt, von erschütternder Komik sind.

 

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Mein Kampf

Mein Kampf… Als glückliche Bestimmung gilt es mir heute, dass das Schicksal mir zum Geburtsort gerade Braunau am Inn zuwies. Liegt doch dieses Städtchen an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint! […] In diesem von den Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldeten Innenstädtchen, bayerisch dem Blute, österreichisch dem Staate nach, wohnten am Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts meine Eltern; der Vater als pflichtgetreuer Staatsbeamter, die Mutter im Haushalt aufgehend und vor allem uns Kindern in ewig gleicher liebevoller Sorge zugetan. …

Der Text enthält Auszüge aus Adolfs Hitlers „Mein Kampf“. Das von stilistischen Entgleisungen geprägte Buch stellt eine Mischung aus Biographie und Programmschrift dar und enthält bereits wesentliche Zielsetzungen der NSDAP, so den rassisch gereinigten, nationalistischen Führerstaat. Die biografischen Angaben, die Hitler insbesondere zu seinen „Wiener Lehr- und Leidensjahren“ macht, sind vielfach falsch, bzw. geschönt, bildeten aber die Grundlage offizieller Darstellung während der Nazizeit. (Stefan Schäfer) Außerdem sind Texte von Friedrich Hölderlin, William Shakespeare und Georg Tabori, sowie Teile des Hohelieds Salomons und ein Volkslied verwendet.

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